Von den Meeren der Welt
Hafengesichter
Text: Kerstin Landwehr / Fotos: Henrik Matzen
32 Jahre ist er über die Ozeane dieser Erde gefahren, dann hat es den 54-jährigen Schiffsführer Christian Ørndrup an Land gezogen. „Ich war schon überall, nur nicht in der Antarktis. Aber seit einigen Jahren war ich auch mit dem Gedanken unterwegs, einen anderen Arbeitsplatz zu bekommen, denn die Motivation zur See zu fahren, ist mit den Jahren geschwunden.“ Und so hat er vor knapp sieben Jahren direkt zwei neue Heimathäfen gefunden: Marstal und Ærøskøbing.
„Als die Hafenmeisterstelle im Herbst 2015 ausgeschrieben wurde, war ich ohne Zweifel glücklich, mich zu bewerben, denn es war mein absoluter Traumberuf.“ Dass es dazu noch auf Ærø war, wo Christian viele Jahre zuvor an der Seefahrtsschule in Marstal seine Ausbildung zum Schiffsführer absolviert hatte, war ein mehr als glücklicher Zufall. „Irgendwie bin ich, trotz vieler Fahrten rund um die Erde, an Ærø kleben geblieben. Von einer Insel auf die andere. Denn ich komme eigentlich von Bornholm“, erzählt er lachend.
Berechenbare Routine
Sein Tagesablauf ist nun völlig anders, als auf einem Schiff. Berechenbarer. Denn unterwegs sein, das ist auf See immer abenteuerlich. Immer kann auch etwas Unvorhergesehenes passieren. So wie auf Christians Fahrt von Assens nach Halifax.
„Im Januar ging es damals los, doch mitten auf dem Atlantik, nach ungefähr halber Strecke, ging die Maschine kaputt und das Schiff konnte nur noch mit zwei Knoten laufen. Wir hatten fast sämtliche Vorräte aufgegessen und es war, als wir am 1. März endlich in Halifax ankamen, nicht mehr viel übrig. Der erste Weg von Bord führte uns dann in eine Kneipe, um endlich mal wieder etwas Vernünftiges zu essen und ein Bier zu trinken.“
So wurden aus einer zweiwöchigen Routineüberfahrt 42 Tage auf See. Das ist heute anders, denn Christian weiß genau, dass er von Marstal nach Ærøskøbing nicht länger als 15 Minuten mit dem Auto unterwegs ist, um „seine Häfen“ zu organisieren und alles für die Saison herzurichten. Und es gibt eine Menge Arbeit und tolle Projekte für die zwei Häfen.
Von Schwimmstegen, Hafenmolen und Kochhäusern
Und auch hier ist viel in Bewegung: So sollen in Marstal sämtliche Brücken und Stege im Hafen erneuert und durch Schwimmstege ersetzt werden. Nur einen festen Holzsteg wird es in Zukunft dort noch geben. Die Idee ist sicher auch dem Klimawandel geschuldet, und die 18.157 Gastsegler, die 2021 in Marstal waren, werden auch in dieser Saison einen sicheren und guten Platz für ihre Boote finden. Marstals Schiffe haben Jahrhunderte hindurch die Weltmeere befahren, und die Seefahrtschule bildet seit über hundert Jahren Navigationsoffiziere für die dänische Handelsflotte aus. Übrigens wurde die lange Hafenmole mit dem Kalkofen, die den Hafen vor dem Ostwind schützt, zwischen 1825 und 1841 von den Seeleuten der Stadt errichtet und später noch einige Male ausgebaut.
In der Mitte an Ærøs Nordküste liegt Ærøskøbing mit seinen Häusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert und dem bekannten Kopfsteinpflaster. Der alte Hafen wurde um einen modernen Yachthafen erweitert, aber das alte Kochhaus hat man belassen. Da man früher großen Respekt vor Feuer hatte und ein Gesetz von 1787 den Gebrauch von offenem Feuer an Bord von Holzschiffen verbot, errichtete man in den Häfen die sogenannten Kochhäuser. Das Kochhaus verlor seine ursprüngliche Funktion um 1860. Die Fischer nutzten das Haus danach zum Teeren ihrer Netze. Um 1850 erhielt das Haus einen Giebel, wo man ein kleines Hafen- und Leitfeuer zündete, das die Schiffe sicher in den Hafen leiten sollte. Heute erfüllt das Kochhaus wieder seinen alten Zweck, es dient als Grillhütte für die Segler.
Ærøskøbing hatte im Jahr 2021 13.605 Gastsegler zu Besuch und auch hier werden sicher die Stege erneuert, wenn das Projekt in Marstal abgeschlossen ist. Das zumindest glaubt Christian, der kürzlich erst neue Herzstarter angeschafft hat, um „seine Häfen“ noch sicherer zu machen. Denn sowohl Marstal als auch Ærøskøbing sollen ihre Zertifizierungen als „sicherer Häfen“ möglichst noch 2022 bekommen.