Unsere Hafenmeister in Boltenhagen
Hafenmeisterei mal zwei
Timo Holländer und Christin Biermann sorgen in der Weissen Wiek in Boltenhagen für reibungslose Abläufe und eine familiäre Atmosphäre – drinnen wie draußen.
Text: Kerstin Schmidtfrerick Fotos: Henrik Matzen; privat
Dort wo im Februar noch der Winterwind über die Stege fegte, herrscht im Sommer fröhliches Treiben. Segel flattern. Worte fliegen durch die Luft. Letzte Vorbereitungen für die wöchentliche Donnerstagsregatta. Die Crew der 12.18 Boltenhagen Marina GmbH dreht zusammen mit Dauerliegern eine gemütliche Runde über die Bucht. „Wir sind alle Segler und freuen uns darauf, auf unseren Booten mit den Gästen nach Feierabend eine Tour zu machen“, erzählt Hafenmeister Timo Holländer. Boltenhagens Afterwork-Regatta sozusagen. Das stärke das Miteinander im Hafen und mache den Gästen Lust, ihre Segelkünste in der Gruppe auszuprobieren. „Anschließend gibt’s im Hafenbistro Windstärke 10 noch einen gemeinsamen Snack“, erzählt Hafenmeisterin Christin Biermann, die ebenfalls mit ihrem Boot mit von der Partie ist. Ihr Blick schweift über die Bucht, die gut geschützt die Marina beherbergt. Trotz Belegung bis auf den letzten Platz ist es ruhig und entspannt. Auf der rechten Seite machen einige Fischer ihre Netze für den nächsten Tag klar. Über die Uferpromenade an der linken Seite spazieren Feriengäste aus den zwei dazugehörigen Hotels und den sechs im Hafen liegenden Hausbooten.
Timo Holländer | Christin Biermann |
Holländer und Biermann sind die Gesichter der Hafenmeisterei in Boltenhagen. Die vertrauten Gesichter, die die Gäste kennen und an die sie sich mit ihren Anliegen wenden. Einfach gesagt ist Biermann für drinnen zuständig, Holländer für draußen. Kaum ist das gesagt, klingelt das Telefon bei Holländer. Ein kurzes Horchen, ein Nicken: „Alles klar, ich komme.“ Irgendwas sei mit einer Stromsäule. Er komme gleich wieder. Sagts und ist auch schon verschwunden.
Hafenmeisterin mit Herz und Elan
„Ich organisiere alle Termine und Veranstaltungen“, sagt Christin Biermann und meint damit wirklich alle: Termine für die Ein-und Auswasserung. Dabei stimmt sie sich auch mit der zur Marina gehörenden Werft ab. Ein-und Ausfahrten, Belegung der Liegeplätze samt Rot-Grün-Spiel, Gastlieger sowie die Belegung der Hausboote. Hinzu kommen Buchhaltung und die Organisation von Veranstaltungen wie die heutige Donnerstagsregatta. „Wir machen Suppenfeste, Grill-und Glühweinevents, es gibt die Kneipennacht und natürlich unser jährliches Hafenfest mit Livemusik und Feuerwerk.“ Für die Kleinsten wird ein buntes Programm mit Zauberei, Schminken und Feuerspucken geboten. Die Wasserschutzpolizei und die Seenotretter gehen mit einem Schiff vor Anker und informieren über ihre Arbeit – Bootsbesichtigung inklusive. Food-Trucks verwöhnen die Besucher mit hippen Burgervarianten und Grillspezialitäten. Mehr als 6.000 Besucher kommen zum alljährlichen Fest in den Hafen, Touristen wie Einheimische, und freuen sich über Livemusik, Gastronomie und abendliches Lichtspektakel auf dem Wasser.
Seit 2015 managt Biermann das Hafenmeisterbüro in Boltenhagen – in einem Team von zehn Kolleginnen und Kollegen inklusive der Geschäftsleitung. Dabei könnte sie als Verfahrens-und Umwelttechnikerin auch woanders arbeiten, doch es zog die 32-jährige Boltenhagenerin genau hierhin. „Wir sind ein tolles Team, ich mag den vertrauensvollen Kontakt mit den Gästen, und das Segeln ist mein Ding.“ So sehr, dass sie sich vor Kurzem zusammen mit einer Freundin ein eigenes Boot zugelegt hat. Doch an erster Stelle steht ihre Familie. Vor eineinhalb Jahren kam ihre Tochter zur Welt. „Und im Sommer wird geheiratet“, sagt sie und strahlt.
Vom Weltumsegler zum Hafenmeister
Dann fliegt die Tür auf und der andere Teil der Boltenhagener Hafenmeisterei kommt wieder herein. „Die Stromsäule vorne rechts war kaputt“, berichtet Holländer und lässt sich gut gelaunt auf den Stuhl fallen. Der 46-Jährige arbeitet seit 2013 im Boltenhagener Hafen und hat sein Segelboot an einem der Schwimmstege der Marina liegen. „Mir gefällt die Arbeit hier. Die Atmosphäre ist entspannt und die Aufgaben anspruchsvoll und total abwechslungsreich.“ Eine normale Arbeit im Büro war für den passionierten Segler nicht mehr denkbar, als er 2012 mit seiner Partnerin von einer siebenjährigen Segelreise wieder in Hannover ankam. „Statt meines ehemaligen Jobs als Techniker wollte ich unbedingt etwas am Wasser, mit Schiffen und Menschen machen“, erinnert er sich. „Ich war damals so lange in allen möglichen Häfen der Welt unterwegs gewesen, in Brasilien, auf den Kap Verden, in Mexiko und in Alaska, um immer mal wieder nach Ersatzteilen für unser Boot zu suchen, dass ich mir einen Bürojob einfach nicht mehr vorstellen konnte.“ Da kam das Angebot aus Boltenhagen genau richtig, und das Paar siedelte von Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern um. „Bereut haben wir das nicht“, sagt er und erzählt von der wunderschönen Naturlandschaft ringsum, den Städten Wismar, Lübeck und Hamburg, die in der Nähe sind, und von der Ostsee, die den Weg nach Skandinavien und in die Welt freigibt.
Fahrradwege laden vom Hafen zu Touren ins Hinterland ein – nach Boltenhagen rein, durch den malerischen Klützer Winkel und ins nur 20 Kilometer entfernte Wismar. Neben einer Stadtbesichtigung bieten sich der Besuch im Freizeitbad Wonnemar und im Tierpark Wismar an. Wer möchte, kann ein Stück den Fernwanderweg E9 entlang der Küste fahren. Ein Fahrradbus sorgt auf dem Rückweg für Entlastung und bringt alle Radler bequem wieder nach Hause. Zu einem Tag am Meer lädt der 4,5 Kilometer lange feinsandige Strand vor Boltenhagen ein. An Bereiche für FKK-Anhänger sowie für Hundebesitzer wurde gedacht. „Auch die 18-Loch-Swingolf-Anlage an der Steilküste, der Boltenhagener Kletterpark sowie der Schmetterlingspark in Klütz sind mit dem Fahrrad erreichbar“, ergänzt Holländer.
Fünf Sterne im Sommer und Winter
Im Sommer kümmert sich Holländer um alles draußen am Wasser: die elektrischen Anlagen, die Ausleger, die Stege, die gesamte Hafenanlage mitsamt der vielen kleinen und großen Wünsche und Vorkommnisse, die in der Marina mit 350 Liegeplätzen und Full Service tagtäglich anfallen. Das sind dann meist 12-bis 14-Stundentage für ihn, sieben Tage die Woche. „Im Herbst und Winter sind es dagegen in erster Linie Wartungs-und Reparaturarbeiten an den Booten im Winterlager und der Werft, je nach Auftrag der Eigner“, so Holländer. Ab März kümmern er und sein Team sich darum, die Boote zurück ins Wasser zu befördern. „Mit unserem Roodberg-Slipwagen kann ich Boote bis zu 28 Tonnen sicher ein-und auswassern. Kleine Yachten bewegen wir mit unserem Mobilkran.“ Allerdings alles schön der Reihe nach. Dafür ist wiederum Biermann zuständig.
Bug über Heck und alles im Blick
Von ihrem Büro aus hat Biermann nicht nur einen perfekten Überblick über die gesamte Marina, sondern auch über sämtliche Boote, ihre Besitzer und deren Wünsche. „Wir versuchen, allen gerecht zu werden und die Vorlieben unserer Gäste zu erfüllen. Doch besonders im Frühling geht es nur nacheinander.“ Und zwar in entgegengesetzter Richtung wie im Herbst ins Winterlager hinein. In den mehr als 4.000 Quadratmeter großen temperierten Winterlagerhallen wird jeder Meter ausgenutzt. „Wir stellen Boot an Boot und auch schon mal Bug über Heck“, sagt Holländer lächelnd. Wer nicht mehr reinpasst, findet Platz auf der mehr als 10.000 Quadratmeter großen Außenlagerfläche. Die Strandkörbe vor dem Hafenbistro „Windstärke 10“ finden jedes Jahr ein warmes Plätzchen zwischen den Schiffen im Winterlager. Auch dafür sorgen Holländer und Biermann.
Die Sonne ist inzwischen untergegangen – blaue Stunde über der Bucht. Die Regattagruppe verläuft sich langsam. Man verabschiedet sich, wünscht eine gute Nacht. Für Biermann und Holländer geht ein langer, bunter Tag an ihrem Arbeitsplatz zu Ende, den sie mit keinem anderen auf der Welt tauschen möchten.