2023: Dürre, Sommerorkan, Hochwasser ... Und 2024?

Wetter kurz erklärt

Text und Fotos: Sebastian Wache, WetterWelt Kiel

Das Jahr 2023 war aus meteorologischer Sicht wahrlich beeindruckend. Aber auch beängstigend zugleich. Denn wir sehen immer krassere Wetter. Nicht nur weltweit, sondern selbst bei uns vor der Haustür. Angefangen hatte das bereits mit einer sehr milden Silvesternacht. Danach folgte eine prägende Dürrephase zwischen April und Juli, sodass teils Löschteiche austrockneten. Der Sommer war sehr verregnet mit dem negativen Höhepunkt eines Orkantiefs Anfang August, genau zur Zeit der ORC-Weltmeisterschaft vor Kiel. Der September war zwar wieder versöhnlicher, dennoch geht er als wärmster September seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die deutsche Geschichte ein. Und weil das noch nicht genug extremes Wetter war, kam im Oktober noch das historische Ostseehochwasser dazu, das seit rund 120 Jahren die Zwei-Meter-Marke nicht mehr geknackt hatte. 2,27 Meter waren es am Ende in der Flensburger Förde und rund um Sønderborg.

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Historisches Hochwasser als fatale Kette der Umstände

Damit sich diese Höhe aufbauen konnte, brauchte es einen entsprechenden Ostwind. Und der konnte sich über drei Tage aufbauen, da im Verlauf der Woche von Montag an ein Hoch sich über Deutschland bis nach Skandinavien verlagert hatte und dort dann fest liegenblieb. Gleichzeitig näherte sich von Frankreich her ein Tief, das sich auf dem Weg nach Deutschland immer weiter verstärken konnte. Auch hier spielte das geänderte Klima bereits eine entscheidende Rolle. Denn mit jedem Grad Temperaturerhöhung kann die Luft sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Und Feuchtigkeit ist unser Energieträger in der Atmosphäre. Da Tiefs sich besonders verstärken, wenn die Temperaturgegensatze auf der Nord- und der Südflanke am stärksten sind, war es bei diesem Tief vor allem die zu warme Luft aus dem Süden, die diesem Tief nochmal deutlich mehr Schub gab. Da wir aber noch drei Tage lang das Hoch über Norwegen und Schweden sahen, kam das Tief dort einfach nicht mehr weiter. Eine fatale Verkettung der Umstände. Das Tief wollte nach Norden weiter, durfte wegen des Hochs aber nicht, und gleichzeitig hatte sich das Tief auch noch verstärkt. Somit nahm der Ostwind über der Ostsee von Stunde zu Stunde immer weiter zu. Aufgrund der langen Einwirkzeit und der stetigen Verstärkung des Windes nahm auch der Druck auf die Wassermassen kontinuierlich zu. Die Pegel stiegen, und je nach Region sorgte der Fetsch (Einwirklange des Windes auf das Wasser) für eine sehr hohe Welle. Da wir hier wegen fehlender Bojen keine Messdaten haben, konnten wir nur Modelldaten nutzen. Und die gingen von bis zu fünf Meter signifikanter Wellenhöhe vor der deutschen Küste aus. Eine Marke, die ich hier so auch noch nicht gesehen habe. Dazu kamen Winde, die in den Böen Orkanniveau erreicht haben. Jedoch war der weitaus größere Faktor der mittlere Wind. Also der Wind, der nicht wie die Böen kurzzeitig einwirkt, sondern der, der dauerhaft weht. Und hier haben wir an den Stationen eine Windstarke 8 gesehen. Auch das kommt im Ostseebereich extrem selten vor. Alle diese Faktoren trugen dazu bei, dass wir am Ende gesehen haben, was wir gesehen haben: etliche gesunkene Yachten und zerstörte Hafen in Deutschland wie auch in Dänemark. Die Bilder sind allen bekannt.

Die weiteren Aussichten

Wie geht es weiter? Was erwartet uns 2024? Um ehrlich zu sein, kann ich nicht sagen, ob wir eine tolle Segelsaison bekommen oder nicht. Was ich bzw. wir Experten aber sehen, ist beunruhigend. Denn die globalen Temperaturen steigen und das nicht nur in der Luft, sondern auch vor allem im Wasser. Somit wird es immer wärmer, und damit steigt die potenzielle Energie in der Luft. Wird die freigesetzt, können Stürme deutlich kräftiger ausfallen. Zudem neigen Wettersysteme schon lange dazu, länger an Ort und Stelle zu verweilen (sehr nasse und windige Phasen oder Dürre und Hitze). Somit ist eine Lage wie im Oktober 2023 mit einem Skandinavienhoch und einem viel zu starken Tief aus dem Südwesten jederzeit wieder möglich. Auch der weltweite Wasserstand steigt unaufhaltsam an. In den letzten 100 Jahren sind es bereits 20 Zentimeter gewesen.

Folgen für Häfen, Eigner und den Küstenschutz

Der Auftrag an die Hafenbetreiber ist daher klar: Anpassung und Schutz. Gegen einen zurzeit noch leicht ansteigenden Meeresspiegel hilft, die Stege höherzulegen oder auch auf Schwimmstege zu wechseln. Wegen der Stürme und der brachialen Naturgewalt sollte über bessere Schutzmaßnahmen nachgedacht werden. Zwar werden Oststürme weiterhin eher die Ausnahme bleiben, jedoch wissen wir nicht, wann der nächste Sturm in dieser Stärke wiederkommt. Da gleichzeitig viele Häfen eine Schwachstelle für östliche Winde aufweisen, besteht hier Sicherungsbedarf. Auch im Sinne von zukünftigem Küstenschutz sollte man darüber nachdenken, vielleicht frühzeitig einen Euro oder sieben Kronen mehr zu investieren. Denn meist sind die Kosten hinterher deutlich größer. Um auch rechtzeitig zu wissen, dass da eventuell etwas Ungemütliches im Anmarsch ist, macht es Sinn, sich auch als Hafenbetreiber entsprechend regelmäßig und früh zu informieren, um gegebenenfalls die Warnkette in Richtung Eigner zu aktivieren. Natürlich hat auch der Eigner die Pflicht, sich um das Wetter und somit sein Boot zu kümmern.

Vorsorgen mit Wetterdiensten

Und gerade nach dem Oktober letzten Jahres sehe ich eine Symbiose zwischen Wetterdiensten, Hafenbetreibern, Hafenmeistern und Eignern als beste Vorsorgemaßnahme. Da hier die unterschiedlichen staatlichen Dienste wie DMI, DWD und SMHI unterschiedlich arbeiten, würde ich es begrüßen, wenn ein Wetterdienstleister für frühzeitige Warnungen beauftragt würde. Der letzte Sturm war bereits sieben Tage vorher sicher in der Vorhersage erkennbar. Doch gerade die staatlichen Dienste haben ihren festen Fahrplan und können nicht so früh warnen, wie es die privaten dürfen. Entsprechende Pläne für ein Frühwarnsystem liegen tatsächlich in meiner Schublade. Finden sich Möglichkeiten der Finanzierung, könnte das Warnsystem vergleichsweise schnell in den Hafen implementiert werden. Somit wäre ein wichtiger Baustein da, um eine Warnkette auszulösen und auch gleichzeitig Schutzhäfen aufzuzeigen. Es ist also noch viel Handlungsbedarf, um sich den drohenden Wetterszenarien anzupassen. Dennoch möchte ich hier einen versöhnlichen Abschluss finden. Denn die meiste Zeit des Jahres wird es zwischen Nord- und Ostsee weiterhin viele ruhige Phasen geben, um unseren geliebten Wassersport genießen zu können.

Ich wünsche allen eine wundervolle Saison 2024 mit möglichst wenigen Extremwettereignissen.

 

 

wetter profil Sebastian Wache, Diplom- und Medien-Meteorologe beim NDR. Als Wetter-Rou­ter für Segler bereits tau­sende Meilen im Kielwasser „mitgesegelt“. Selbst ist er aber auch aktiv auf dem Wasser und mit eigenem Boot regelmäßig auf der Kieler Förde und der Ost­see unterwegs.

 


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